Landkreis Helmstedt im Krisenmodus
Der Landkreis Helmstedt informiert:
Seit einigen Wochen nimmt die Zahl der Flüchtenden aus der Ukraine, die dem Kreis Helmstedt zugewiesen werden, deutlich zu. Die Arbeit, die für die Kreisverwaltung damit verbunden ist, waren nicht mehr im laufenden Betrieb zu leisten, deshalb hat der Landrat gemeinsam mit der Verwaltungsspitze entschieden, einen Stab einzurichten, der mit den Mitteln des Katastrophenschutzes handeln kann.
Der Chef
Christoph Neddermeier, Abteilung Brand- und Katastrophenschutz, erfahren im Umgang mit Krisenlagen.
Schon das Corona-Impfzentrum hat er gemanagt, jetzt ist es die Organisation von Wohnraum, Verpflegung in Notunterkünften oder auch Möbelspenden. Seine Aufgabe ist die Koordination der Arbeit, Kontakt zur Hausspitze zu halten und auch zu Polizei und externen Helfern wie dem THW. Seine Tage scheinen 36 Stunden zu haben, denn er ist immer ansprechbar, zwischendurch auch bei einem Bombenalarm in Königslutter oder zur Vorbereitung einer möglichen Gasmangel-Lage im Winter. Dennoch verliert er nicht den Focus. Für Neddermeier liegt der auf den menschlichen Schicksalen:
„Die Menschen aus der Ukraine haben nichts. Außer Angst. Sie kommen mit dem, was sie tragen können und blicken in eine ungewisse Zukunft. Wir als Landkreis haben daher eine Lage, in der wir einfach handeln müssen. Es können jederzeit noch mehr Menschen kommen, die wir unterbringen müssen. Ich will vermeiden, dass wir Zeltstädte aufbauen müssen, weil wir nicht vorbereitet sind. Aber es ist ein tolles Team, das sich hier zusammengefunden hat, alle wollen was erreichen für die Menschen. Wenn das Telefon klingelt, geht man eben ran. Und ich bin auch den Kollegen in allen Abteilungen dankbar, dass sie die Arbeit übernehmen, die die Stabsmitglieder nun vorübergehend nicht erledigen können.“
Die Aufgaben
Der Ukraine-Krieg und die daraus folgende Flüchtlings-Frage stellen den Landkreis Helmstedt vor große Herausforderungen. Nicht nur finanziell, sondern vor allem personell. Die Mitarbeitenden besonders in der Ausländerbehörde und im Sozialamt aber auch in anderen Geschäftsbereichen arbeiten seit Jahren am Limit und sind in diesen Krisenzeiten besonders belastet. Der Geschäftsbereich Personal arbeitet mit Hochdruck daran, offene Stellen zu besetzen. Leider geht das nicht von heute auf morgen und die akuten Aufgaben müssen dennoch erledigt werden. Deshalb wurde der Ukraine-Stab gebildet: Er muss die ganz konkreten organisatorischen Dinge rund um die jede Woche ankommenden Flüchtlinge managen, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in allen Geschäftsbereichen auch wieder ihren regulären Tätigkeiten nachgehen können.
Erstes Ziel zu Beginn der Stabsarbeit war daher, die Notunterkunft in Esbeck „hochzufahren“. Auch wenn bereits gewisse Vorarbeiten geleistet wurden, um das Gebäude der ehemaligen Schule nach der letzten Nutzung in der Flüchtlingskrise 2015 erneut für Bewohner herzurichten: Es war einiges zu organisieren. Feldbetten, Schränke, Trennwände mussten beschafft und aufgebaut werden. Ein Betreiber musste gefunden, die Verpflegung beauftragt werden. Es gab viel zu telefonieren für die Mitglieder des Ukraine-Stabs. Inzwischen verlagern sich die Aufgaben:
Derzeit geht es darum, die Flüchtlinge mit Aufenthaltstiteln auszustatten und so schnell wie möglich in die eigenen vier Wände zu bringen, damit die Notunterkünfte nicht überbelegt werden. Wohnungsakquise, Möbel und vor allem Betreuung sowie Dolmetscher müssen organisiert werden. Und am Horizont taucht bereits die Frage auf, wie es weitergeht, wenn die Zuweisungen an den Landkreis auf demselben Niveau bleiben, wie in den vergangenen Wochen und die Schule in Esbeck als Notunterkunft nicht mehr reicht.
Oft kommen neue Zuweisungen vom Land Niedersachsen nur wenige Tage oder gar Stunden, bevor wieder Menschen im Kreis Helmstedt ankommen und viele Fragen haben: „Wer betreut meinen kranken Angehörigen, was ist mit meinem Haustier, wo kann ich zum Arzt, wo kann ich Geld für persönliche Bedürfnisse bekommen?!“ Immer wieder sind die Kolleginnen und Kollegen am Telefon im Krisenstab auch Lebenshelfer in der Not.
Das Team
Die Mitglieder des Stabs wechseln, damit nicht immer dieselben Personen ihre eigentlichen Arbeitsplätze verlassen müssen. Vor Einsetzung des Stabs kümmerten sich vor allem Ilona Stolpmann, Ulla Grajcar und Magnus Pinkernelle allein um das Thema und leisteten Enormes. Dann stießen Sonja Klein und Daniel Roßmann hinzu und inzwischen sind Sinja Rüger, Christian Blanck, Torsten Schimmeyer, Marlene Orlamünde und Sören Piosik voll dabei. Verstärkt werden sie von Julia Drischmann, Anouschka Lüpke und Natalie Georg. Silke Grothe und Andrea Owczarek sorgen im Hintergrund dafür, dass alle Schecks auch gedeckt sind, Sebastian Dettmer als neuer Pressesprecher des Landkreises ist ebenfalls im Team. Für jedes Sachgebiet sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorgesehen. Tim Böhm zum Beispiel ist zuständig für „Versorgung“.
Tim Böhm: „Es ist einfach toll, dass man Menschen direkt und konkret helfen kann. Das macht auch einfach Spaß, dass man handeln kann und direkt die Ergebnisse sieht, wie in Esbeck, wo eben jetzt Schränke stehen und Kinderspielzeug herumfliegt und die Kinder fröhlich damit auf den etwas trostlosen alten Schulfluren spielen. Auch wenn die ganze Situation für Flüchtlinge echt nicht toll ist, erst recht nicht der Grund, warum sie hier sind, aber dass wir ihnen helfen können, das befriedigt einen dann abends auch!“
Die Arbeit
Die Mitglieder des Stabs kommen zu ihren gewohnten Arbeitszeiten. Jeden Morgen leitet Christoph Neddermeier im Stabsraum in der „Alten Post“ erst einmal eine kurze Lagebesprechung. Wie viele Menschen kommen? Wohin werden sie verteilt? Welche Wohnungsangebote und Möbelspenden gibt es? So bekommen alle im Stab denselben Informationsstand. Organisiert wird die Arbeit nach dem Schema eines Katastrophenschutzstabs. Fällt jemand aus, springt ein anderer ein. Auch, wenn er oder sie bisher nicht in diesem Sachgebiet tätig war. Da viele diese Arbeit noch nicht gemacht haben und aus ganz anderen Bereichen kommen, passieren auch mal Fehler. Christoph Neddermeier sagt:
„Wir leisten hier Nothilfe, wir können nichts falsch machen. Und wenn, dann sind Fehler nichts Schlimmes, so können wir sie besprechen und in der Zukunft vermeiden. Das macht uns alle noch besser.“
Alle im Ukraine-Stab wissen: Weil sie hier sind, bleibt auf ihren eigentlichen Schreibtischen auch Arbeit liegen, oder muss umverteilt werden. Aber in der Krise müssen manchmal Dinge anders gemacht werden, sagt der Erste Kreisrat Torsten Wendt:
„Wir wissen, dass es eng ist, personell. Aber wir müssen bestimmte Aufgaben einfach erledigen, und dabei Prioritäten setzen. Die Lösung der Flüchtlingsfrage hat derzeit eine hohe Priorität, aus humanitären Gründen und weil es schlicht unsere Aufgabe als Landkreis ist. Das ist nicht immer fair und oft schwierig. Umso mehr danke ich allen Mitarbeitenden, sowohl im Stab als auch in allen anderen Bereichen, dass Sie alle sich bemühen, die Lage zu meistern.“
Text: Landkreis Helmstedt
Bild zur Meldung: Lageraum des Ukrainestabs in der "Alten Post" (Bild: Landkreis Helmstedt)
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Im Krisenmodus (30. 08. 2022)
Krisenstab des Landkreises Helmstedt