Nicht sichtbare Behinderungen in den Blick genommen
Wer einen Menschen im Rollstuhl fahren sieht, nimmt sofort wahr, dass dieser Mensch offensichtlich eine körperliche Einschränkung hat. Bei einer nicht sichtbaren Behinderung fällt diese Wahrnehmung schon viel schwerer, wenn sie überhaupt auffällt. Diesen Themenschwerpunkt hat der Beirat für Menschen mit Behinderung in seiner Oktobersitzung in den Fokus gestellt, um auf diese verschiedenartigen Einschränkungen aufmerksam zu machen.
„Wegen der Nähe zu dem Tag der nicht sichtbaren Behinderungen am 20.Oktober und dem Welttag der seelischen Gesundheit am 10. Oktober haben wir uns auf Anregung von Landrat Gerhard Radeck näher mit dieser Thematik beschäftigt und möchten auf die besonderen Probleme der betroffenen Menschen aufmerksam machen“, erklärten Thomas Hartmann, Vorsitzender des Beirates für Menschen mit Behinderung im Landkreis Helmstedt und Christina Trittel, die Inklusionsbeauftragte des Landkreises. Radeck führte in seinem Grußwort die Bedeutung dieser Gedenktage aus und unterstrich, dass es bis zu 15-20% der Bevölkerung sind, die man damit in den Blick zu nimmt.
Ein sichtbares Zeichen zu Beginn der Sitzung war die Anordnung der Bestuhlung im Sitzungsraum. Diese war insbesondere vor dem Hintergrund von Teilnehmenden mit nicht sichtbaren Behinderungen so gestaltet, dass der Abstand zum Sitznachbarn einen Meter beträgt. Menschen, die Nähe zu anderen nur schwer ertragen können, sollte es so leichter fallen, an der Runde teilzunehmen.
Eine „Stille Stunde“, initiiert von Thomas Grove, Musiktherapeut und Leiter der Fachberatung für berufliche Inklusion bei LAVIE Reha, regte die Sitzungsteilnehmenden mit einer Klangschalenmeditation zum intensiven Zuhören an, um sich auf die ursprüngliche Sinneswahrnehmung zu konzentrieren.
In die Thematik der nicht sichtbaren Behinderungen führte Ines Dartmann-Quintelier ein, die mit ihrem Unternehmen „Spektrumtags“ eine Idee entwickelt hat, mit der Betroffene ihre Ängste und Probleme vor einem Treffen mitteilen können, ohne darüber reden zu müssen.
„So kann eine respektvolle Kommunikation und ein barrierefreies Miteinander für alle Mitglieder der Gesellschaft möglich gemacht werden“, begrüßt Hartmann die Geschäftsidee.
Dartmann-Qintelier führte aus, was Neurodivergenz ist und welche Ängste damit verbunden sein können. Die Bandbreite der nicht sichtbaren Einschränkungen ist dabei weit gefasst. Betroffene können beispielsweise schwer Nähe oder Geräusche ertragen, meiden Menschenansammlungen, möchten nicht angefasst werden und einiges mehr. Neurodiverse Menschen verarbeiten Reize nicht wie neurotypische – also vermeintlich „normale“ – Menschen und reagieren daher anders auf ihre Mitmenschen.
Josephine Lange, Vertreterin einer Elterngruppe für entwicklungsverzögerte Kinder gab Einblicke in den Alltag. Eltern und Familien müssen ihre gewohnten Routinen und Lebensstile ändern und an die Bedürfnisse ihrer Kinder anpassen. Häufig haben Familienmitglieder Schwierigkeiten, den Anforderungen des täglichen Lebens gerecht zu werden. Erhöhter Stress und angespannte zwischenmenschliche Beziehungen sind die Folge.
„Ich hoffe, dass unser heutiges Treffen dazu beigetragen hat, mehr Verständnis für Menschen mit nicht sichtbaren Einschränkungen und deren Probleme aufzubringen. Für uns alle wäre es sicher hilfreich, wenn wir auf diese Art der Erkrankungen sensibler reagieren und neurologische Veränderungen als Vielfalt und nicht als Defizit oder Krankheit betrachten“, führte Christina Trittel abschließend aus.
Bild zur Meldung: Quelle: „Thomas Hartmann“